Gute Fahrt in Polen

Letztes Wochenende ging es für ein paar Tage von Berlin aus nach Poznan in Polen, dem ehemaligen Posen. In aller Frühe erwartete uns im Hbf Berlin der EC 42 der polnischen Staatsbahn.

Bisschen mulmig war uns schon, die polnische Bahn kenne ich noch aus Düsseldorf, als ich nach der Schule am Hbf auf die S-Bahn wartete. Dort hielt Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre ein ziemlich abgewrackter Zug in Richtung Warschau, dessen beste Jahre ewig zurücklagen, dessen Abteilfenster zu jeder Jahreszeit beschlagen waren und dessen Insassen meist auch nicht glücklich aussahen.

Doch der EC war top, modern und chic, so stelle ich mir Bequemlichkeit und Beinfreiheit vor.

Und auch die Nahverkehrszüge waren 1a, da kann sich die DB mal ne Scheibe abschneiden. Trotz einiger Baustellen auf polnischer Seite kam der Zug pünktlich an, keine Ahnung, wann ich sowas zuletzt bei der DB gesehen hab. Und erst der Handyempfang, selbst mitten im Wald war der da, weil entlang der Trassen Mobilfunkmasten stehen. In Deutschland undenkbar, auf meiner Stammstrecke zwischen Hamburg und Düsseldorf kann man den Empfang vergessen, da gibt es mit viel Glück einen Balken, wenn überhaupt.

Nur mit Durchsagen tut sich das polnische Zugpersonal schwer, Bahnhöfe werden nicht angekündigt und wenn dann nur auf Polnisch. Einerseits erholsam, weil die deutschen Kollegen oft jede Kleinigkeit in die Lautsprecher labern und dann auf deutsch und englisch und gerne auch nochmal als Wiederholung. Ich bin ja schon froh, wenn am Mikro kein überkandidelter Gute-Laune-Typ sitzt, der einen die ganze Zeit zuschwafelt. Andererseits mussten wir in Polen schon ziemlich aufpassen, um den Ausstieg nicht zu verpassen.

Trotzdem ein positives Erlebnis.

Keine Besserung in Sicht

Heute sollte mein Zug knapp 15 Minuten früher als sonst abfahren. Also schön beeilt, denn der ÖPNV fährt Sonntags in Düsseldorf nicht so häufig wie Werktags. Bei erreichen des Bahnsteigs lief die Info, dass der Zug 15 Minuten später kommt, kurz danach reduzierte die Anzeige auf 5 Minuten. Vielleicht wurde in der zuständigen Stelle nochmal neu gewürfelt, wieviel Verspätung heute angesagt ist. Die neue Abfahrtzeit verstrich ohne neue Info, um dann zu erfahren, dass der Zug 20 Minuten Verspätung hat wegen später Bereitstellung. Das weiß man natürlich erst in Düsseldorf und nicht schon in Köln, wo der Zug bereitgestellt wird. Organisation, Kommunikation, Information – alles eine Vollkatastrophe. Bin gespannt, was die DB heute noch alles auf Lager hat.

Update:

Mit 20 Minuten Verspätung rauschte der Zug dann tatsächlich ein. Nach insgesamt 40 Minuten Warten bei 5 Grad war ich ziemlich durchgefroren. Die Suche nach meinem Wagen 9 blieb erfolglos, denn nach der Nummer 8 kam die 10 und auch weiter hinten hing keine 9 dran. Wie meist hatte es am Bahnsteig keine Durchsage gegeben, in den Bahn-Apps waren null Infos zu finden und im Zug wollte man die Fahrgäste wohl nicht beim verzweifelt rumstehen mit irgendwelchen Durchsagen stören. Erst eine Mitarbeiterin, die vorbei kam teilte mit, dass der Wagen 10 heute die 9 ist und dass man doch innen Zettel an die Wände geklebt hätte. So sieht DB-Service im Jahr 2018 aus. Erst danach gab es eine Durchsage. Der fehlende Wagen 10 brachte wieder so manchen dazu, im Gang auf den Koffern zu sitzen. Die Reservierungsanzeigen waren außer Betrieb, 2 Toiletten gesperrt und außer Kaffee hatte der Abteilverkauf nicht viel zu bieten, Snacks etc waren nicht an Bord. Und die wie meist fehlende Entschuldigung seitens des Personals brauche ich eigentlich nicht zu erwähnen. Immerhin konnte der Zugfahrer die Verspätung bis Hamburg halbieren. Trotzdem mal wieder kein Ruhmesblatt für die Bahn.

Fun mit dem Gastronomie-Service

6 Minuten zu spät in Düsseldorf, und damit die Pünktlichkeitsgrenze nach Definition der Deutschen Bahn um 1 Minute verpasst.

„Highlight“ war heute auch mehr der Mitarbeiter im gastronomischen Bereich, also im Abteilverkauf. Als handelte es sich um John Wayne persönlich, der über die Hauptstraße von Dodge City zum Duell schreitet, dessen Gegner naturgemäß keine Chance hat, stolzierte der Mitarbeiter mit leerem Tablett durch den Wagen und ließ sich nur auf mehrfacher Nachfrage zum Halt bewegen, um kurz eine Frage zu Kaffee und Co zu beantworten. Heute mal tatsächlich an Bord, befand sich der Abteilverkauf fast am Ende des Zuges. Ich folgte dem Herren und sah überrascht, wie er unterwegs die Toiletten kontrollierte und trotz Kundschaft im Schlepptau im Dienstabteil nach dem Rechten sah, sprich mit den Kollegen in Ruhe quasselte. Ich ging weiter zum Verkaufsabteil, wo sich schon mehrere Mitreisende aufgereiht hatten. Eine Weile später, kam der Mitarbeiter um die Ecke, nur um den sofortigen Rückzug anzutreten. Irgendwann erschien er dann leibhaftig. Bemerkenswert, wie wenig sich manche von Kundschaft stören lassen. Die Bestellung eines Kaffees samt Snickers war schnell zugerufen, was bei meinem Gegenüber jedoch erstmal einem Verwaltungsakt auslöste. Er notierte die Bestellung auf einer Art Formular samt Uhrzeit, suchte umständlich die Warennummern aus einer Liste, um sie ebenfalls zu notieren, kramte in Schubladen herum, um mir mitzuteilen, dass er als Schokoriegel nur noch Snickers hat. Na so ein Zufall, genau das hatte ich bestellt. Der Mitreisende einige Sitzplätze weiter, der den Kaffee am Platz während des Rundgangs bestellt hatte, bekam ihn dann schon gut 30 Minuten später.

Pünktlichkeit im Oktober verschlechtert

Nach einem kurzen Aufwärtstrend im September zeigte die Pünktlichkeit der DB-Fernzüge im Oktober mit 71,8% und dem zweitschlechtesten Jahreswert wieder nach unten. Als wesentliche Auswirkung nennt die Bahn den Brand eines Zuges auf der Schnellfahrstelle zwischen Köln und Frankfurt mit tagelanger Streckensperrung. Das mag die DB zwar den einen oder anderen Prozentpunkt gekostet haben, erklärt aber nicht die eh schon niedrige Pünktlichkeit. Von meinen wöchentlichen Verbindungen zwischen Hamburg und Düsseldorf war in den letzten Wochen nahezu jeder Zug mindestens 10 Minuten verspätet und der fährt nicht über besagte Strecke. Insgesamt kann ich als Vielfahrer keine wirksamen Konzepte erkennen, die das Ruder endlich herumreißen und die Pünktlichkeit deutlich nach oben treiben. Pläne wie der Deutschlandtakt und der Ausbau der Knotenpunkte im Streckennetz klingen auf dem Papier toll, müssen aber erst noch angestoßen werden und eine eventuelle Umsetzung wird viele Jahre dauern.

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Pünktlichkeitswerte von Flixtrain, dem Konkurrenten auf der Fernstrecke, werden anscheind (noch) nicht veröffentlicht, wie auch kürzlich in einem Interview auf businessinsider.de bestätigt wurde. Dass man keine Werte veröffentlicht, weil man erst seit kurzem am Markt ist, kann ich nicht nachvollziehen. Wäre man deutlich besser als die DB, würde das doch schon längst als Marketingargument herhalten. Insofern glaube ich dass Flixtrain ebenfalls Probleme mit der Pünktlichkeit hat (wie man bei Checkmybus.de und Trustpilot.de erahnen kann, sofern repräsentativ).

Informationen zur Statistik:

  • Die %-Werte stellen die Pünktlichkeit dar. Z.B. waren im Januar 82,0% der Fernverkehrszüge pünktlich. Dabei gelten Züge ab 6 Minuten als verspätet. Der Jahreswert für 2018 ist ein selbstgerechneter Durchschnitt.
  • Ausgefallene Züge sind nicht Teil der Statistik, deswegen ist die Pünktlichkeit tatsächlich noch niedriger. Dies ist aber anscheinend auch in anderen Ländern üblich für die Berechnung der Statistik.
  • Die Zahlen der DB hätte ich gerne mit anderen Unternehmen und Ländern  verglichen. Außer bei den Österreichischen Bundesbahnen konnte ich jedoch keine Daten auf Monatsbasis finden. Auch Flixtrain scheint keine Zahlen zu veröffentlichen. Für Hinweise bin ich dankbar.
  • Quelle ist die Pünktlichkeitentwicklung der Deutschen Bahn.
  • Die Österreichischen Bundesbahnen haben im September 85,8% Pünktlichkeit geschafft.

Bahn will Pünktlichkeit mal wieder verbessern

Ich weiß schon nicht mehr, wie oft ich in den letzten Wochen in der Zeitung von den Pünktlichkeits-Plänen der Deutschen Bahn las. Heute schon wieder, diesmal auf Welt.de.

Das Finde ich erst einmal gut, ist die Pünktlichkeit auf meinen Verbindungen zwischen Hamburg und Düsseldorf nicht wirklich top. Kaum einer meiner Züge schafft es nach DB-Kriterien pünktlich ins Ziel, dazu ist der Service auch nicht der Beste. Zu oft fehlte in den letzten Wochen ein Wagen im Zug, oder ein falscher Wagen mit weniger Sitzplätzen war eingesetzt. Das gastronomische Angebot hat sich von einem Bistro-Waggon auf zuletzt ein kleines Verkaufswägelchen reduziert. Auf Klimaanlagen und Toiletten war auch nicht immer verlass.

Als Lösung hat die DB die Knoten in den Blick genommen, also Bahnstrecken in Ballungsgebieten wie Frankfurt, Köln, Hamburg etc. die oft Nadelöhre darstellen. In Frankfurt soll es z.B. neue S-Bahnstrecken geben, in Hamburg ebenfalls, zwischen Münster und Dortmund soll eine Strecke zweigleisig ausgebaut werden. Insgesamt sind 29 Projekte geplant.

Wie man sich denken kann, ist davon noch nichts in die Wege geleitet. Hier sind zunächst die Länder und Bürger zu beteiligen, Planfeststellungspläne zu erstellen und abzuwarten, ob alle zustimmen, ob Änderungen berücksichtigt werden müssen und ob es evtl. Klagen gibt. Aber selbst wenn alles glatt läuft, ist nicht mit schnellen Effekten zu rechnen, die Umsetzung der einzelnen Vorhaben wird Jahre dauern, mit vorherigen Nachteile für Reisende durch die notwendigen Baustellen. Und welches Projekt trotz Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2030 überlebt und keine nachträgliche Kostenexplosion durchmacht ist eh fraglich. So hat man laut Wikipedia die eingleisige Strecke zwischen Dortmund und Münster schon seit dem Jahr 2003 auf dem Tisch mit Kosten, die sich inzwischen mehr als verdoppelt haben. In den letzten 15 Jahren wurde aber anscheinend kein einziger Meter ausgebaut. Soviel zur Verlässlichkeit solcher Pläne.

Aber was ist eigentlich mit einer Erweiterung der Wartungskapazitäten, vollständiger Wagenreihung,  funktionierender Technik, Ausbau der Gastronomie, WLAN an Bord des IC, oder vielleicht sogar Einsatz des ICE zwischen dem Rheinland und Hamburg? Nichts? Na dann ist ja gut. Dann warte ich mal bis 2030 ob sich etwas verbessert.